GERMAN 291:  SURVEY OF GERMAN LITERATURE AND CULTURE


Epoche 2 - Mittelalter

Minnesang

Walther von der Vogelweide 


Muget ir schouwen waz dem meien wunders ist beschert?

(XI) Although Walther von der Vogelweide rarely uses the so-called «Natureingang», or ‘nature opening’ in his poetry, which was rather common in medieval Latin and Romance love poetry and was gleaned from the poets of antiquity, he does so here with great effectiveness (Schaefer). The personification of the forces of nature and the ironical treatment of ‘love-in-spring’ combine to make this the most successful of Walther’s spring poems. It probably originated during his years of wandering following his departure from the court in Vienna in 1198. The poet mocks at the convention of the ‘cruel lady’ by calling upon her to be just a little less unrelenting.

XI 1 Muget ir schouwen waz dem meien XI 1 
wunders ist beschert? 
Seht an pfaffen, seht an leien, 
wie daz allez vert. 
5 Grôz ist sîn gewalt. 5 
ine weiz obe er zouber künne; 
swar er vert in sîner wünne, 
dân ist niemen alt. 

2 Uns wil schiere wol gelingen: 2 
10 wir suln sîn gemeit, 10 
Tanzen, lachen unde singen 
âne dörperheit. 
Wê wer wære unfrô? 
sît die vogele also schône 
15 singent in ir besten dône, 15 
tuon wir ouch alsô! 

3 Wol dir, meie, wie dû scheidest 3 
allez âne haz! 
Wie dû walt und ouwe kleidest 
20 und die heide baz! 20 
Diu hât varwe mê. 
"du bist kurzer, ich bin langer"— 
alsô strîtens ûf dem anger, 
bluomen unde klê. 

4 25 Rôter munt, wie dû dich swachest! 4 
lâ dîn lachen sîn. 
Scham dich daz dû mich an lachest 
nâch dem schaden mîn. 
Ist daz wol getân? 
30 owê sô verlorner stunde, 30 
sol von minneclîchem munde 
solch unminne ergân.

 

(1) Wollt ihr nicht schauen, wieviel an Herrlichkeiten dem Mai geschenkt ist? Seht nun, wie allen, geistlich oder weltlich, zumute ist!
(5) Gewaltig ist seine Macht. Ich weiß nicht, ob er nicht [sogar] zaubern kann; wo er mit seiner Pracht hinkommt, da fühlt sich niemand alt.

(2) Uns wird es bald herrlich gehen,
(10) wir werden fröhlich sein, tanzen, lachen und singen—aber manierlich! Ach, wer wollte traurig sein, wo doch die Vögelchen so lieblich
(15) ihre schönsten Melodien singen. Laßt es uns ebenso tun!

(3) Lob verdient es, Mai, wie du alles in Frieden schlichtest! Wie schön du die Bäume herausputzt
(20) und noch schöner die Heide! Die ist noch farbiger. "Du bist kleiner, ich bin größer", so streiten auf der Wiese Blumen und Klee.

(4) (25) Roter Mund, warum tust du, was deiner nicht würdig ist! Hör auf zu lachen! Schäm dich, mich anzulachen, wo es mir so übel ergeht! Ist das recht gehandelt?
(30) Weh über so vertane Zeit, wenn durch einen so liebenswürdigen Mund etwas so gar nicht Liebes getan wird!

 

 

"Nemt, frouwe, disen kranz!"

(XV) This ‘flirtatious’ poem, like the one following it, is considered one of the best of the «Mädchenlieder». The young lady is not the hard-hearted "frouwe" of the courtly love poems, but a modest girl—for the poet she is part of spring. A pity that she proves to be merely a dream. Note the symbolism of the falling blossoms and the reference to the «Tagelied» in the fourth strophe. The poem leaves some room for speculation, particularly since the version found in Manuscript E (Würzburger Sammelhandschrift—before mid-fourteenth century) omits the fourth strophe.

XV "Nemt, frouwe, disen kranz!", XV 
alsô sprach ich zeiner wol getânen maget. 
"Sô zieret ir den tanz 
mit den schœnen bluomen, als irs ûffe traget. 
5 Het ich vil edele gesteine, 5 
daz müest ûf iur houbet, 
obe ir mirs geloubet. 
Sêt mîne triuwe, daz ichz meine." 

2 Si nam daz ich ir bôt 2 
10 einem kinde vil gelîch daz êre hât. 10 
Ir wangen wurden rôt, 
same diu rôse, dâ si bî liljen stât. 
Do erschampten sich ir liehten ougen, 
doch neic si mir schône, 
15 daz wart mir ze lône. 15 
wirt mirs iht mêr, daz trage ich tougen. 

3 "Ir sit sô wol getân, 3 
daz ich iu mîn schapel gerne geben wil, 
So ich aller beste hân. 
20 wîzer unde rôter bluomen weiz ich vil, 20 
Die stênt sô verre in jener heide; 
dâ si schône entspringent 
und die vogele singent, 
dâ suln wir si brechen beide." 

4 25 Mich dûhte daz mir nie 4 
lieber wurde, danne mir ze muote was. 
Die bluomen vielen ie
von dem boume bî uns nider an daz gras. 
Seht, dô muost ich von fröiden lachen. 
30 do ich sô wünneclîche 30 
was in troume rîche, 
dô taget ez und muos ich wachen. 

5 Mir ist von ir geschehen, 5 
daz ich diesen sumer allen meiden muoz 
35 vast under dougen sehen: 35 
lîhte wirt mir einiu, so ist mir sorgen buoz. 
Waz obe si gêt an disem tanze? 
frouwe, dur iur güete 
rucket ûf die hüete. 
40 Owê gesæhe ichs under kranze! 40

 

(1) "Nehmt, edle Dame, diesen Kranz!" sagte ich zu einem schönen Mädchen. "Dann seid Ihr die Schönste beim Tanz mit den schönen Blumen in Eurem Haar.
(5) Hätte ich edle Steine, ich wollte Euer Haupt damit schmücken, ganz gewiß. Seht doch, wie ehrlich ich’s meine."

(2) Sie nahm, was ich ihr gab;
(10) so nimmt ein schlichtes, edles Mädchen ein edles Geschenk. Ihre Wangen erröteten, da stand bei der Lilie die Rose. Sie senkte scheu ihre klaren Augen; doch anmutig neigte sie sich
(15) mir zum Dank. Schenkt sie mir mehr, das will ich still im Herzen tragen.

(3) "Ihr seid so schön, ich gebe Euch gerne meinen Kranz, den schönsten, den ich habe. (20) Ich weiß, wo viele weiße und rote Blumen stehen, weit fort auf jener Heide; sie blühen dort so schön, und die Vögel singen, da wollen wir beide sie pflücken."

(4) (25) Mir war, als sei ich noch nie so glücklich gewesen. Um uns fielen immer und immer Blüten vom Baum ins Gras. Da mußte ich lachen vor Glück. Als ich im Traum
(30) so ganz vor Freude selig war, da kam der Tag, und ich erwachte.

(5) Ihretwegen muß ich diesen Sommer allen Mädchen nun
(35) tief in die Augen sehen; vielleicht finde ich die Rechte, dann bin ich meinen Kummer los. Ob sie gar mittanzt bei diesem Tanze? Ihr Damen, seid so lieb, rückt Eure Hüte ein wenig aus der Stirn.
(40) Ach, fände ich sie doch unter dem Kranz!

 

 

Under den linden an der heide

(XVI) This charming poem is a fine example of art concealing art. It is ironical in its treatment of a love affair recounted by a country girl, who is clearly overwhelmed because she has found favor with a person of higher status and is given the kind of courtesies normally extended only to courtly ladies. Technically, this is one of the few «Frauenstrophen» which has the distinct overtones of the French «pastourelle», where a knight meets a peasant girl and makes love to her, except that here we are privy only to the sweet memories of the girl. There is no doubt that poems such as this reflect the local tradition of the early songs composed in what is now Austria.

XVI 1 "Under der linden an der heide, XVI 1 
dâ unser zweier bette was, 
Dâ mugt ir vinden schône beide 
gebrochen bluomen unde gras. 
5 Vor dem walde in einem tal, 5 
tandaradei, 
schône sanc diu nahtegal. 

2 Ich kam gegangen zuo der ouwe, 2 
dô was mîn friedel komen ê. 
10 Dâ wart ich enpfangen: ‘hêre frouwe!’, 10 
daz ich bin sælic iemer mê. 
Kuster mich? wol tûsentstunt, 
tandaradei, 
seht wie rôt mir ist der munt. 

3 15 Dô het er gemachet alsô rîche 3 
von bluomen eine bettestat. 
Des wirt noch gelachet inneclîche, 
kumt iemen an daz selbe pfat. 
Bî den rôsen er wol mac, 
20 tandaradei, 20 
merken wâ mirz houbet lac.

4 Daz er bî mir læge, wessez iemen 4 
(nu enwelle got!), sô schamt ich mich. 
Wes er mit mir pflæge, niemer niemen 
25 bevinde daz wan er und ich 25 
und ein kleinez vogellîn, 
tandaradei, 
daz mac wol getriuwe sîn."

(1) "Unter der Linde auf der Heide, wo unser beider Lager war, da könnt ihr Blumen und Gras liebevoll zusammengetragen finden.
(5) Am Waldrand im Tal, tandaradei, sang süß die Nachtigall.

(2) Ich kam zu der Wiese, da war mein Liebster schon vor mir gekommen.
(10) Da wurde ich so empfangen—Madonna!—, daß ich immer und immer überglücklich bin. Ob er mich küßte? Tausendmal! Tandaradei, seht, wie rot mein Mund ist.

(3) (15) Da hatte er aus Blumen ein so prächtiges Bett gemacht. Darüber lacht noch von Herzen, wer dort vorbeikommt. An den Rosen kann er noch sehen,
(20) tandaradei, wo mein Kopf lag.

(4) Wüßte jemand, daß er bei mir lag—Gott bewahre—, dann würde ich mich schämen. Was er mit mir tat, das soll
(25) kein Mensch wissen, nur er und ich, und ein kleines Vögelchen, tandaradei, das wird gewiß nichts verraten."

 


source: Albert K. Wimmer, Anthology of Medieval German Literature http://www.nd.edu/~gantho/noframes.html

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